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Reimagining
Das Modellverfahren Mäusebunker steht für die Gestaltung eines Prozesses – hin zu einer nutzungsorientierten Analyse und Umdeutung dieser sperrigen, ikonenhaften Architektur.
Manfred Kühne : Mit Experimentierfreudigkeit aus der Verinselung
Interview mit Francesca Ferguson, Dezember 2021
Manfred Kühne, langjähriger Leiter der Abteilung II (Städtebau und Projekte) der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, erläutert die Vorzüge experimenteller Projektentwicklung am Beispiel des Haus der Statistik und die besondere Kooperation mit der Stadt Berlin zur Bestandsumnutzung. Er zeigt auf, wie sich daraus gelernte Prozesse auch auf die weitere Entwicklung des Mäusebunkers übertragen lassen können.
Ihre Abteilung hat sich in der Vergangenheit mehrfach für innovative Projekte der Zivilgesellschaft und neue Wege innerhalb der Verwaltung des Landes Berlin eingesetzt. Haben Sie da ein konkretes Beispiel, das illustriert, welche besonderen Konstellationen in den letzten Jahren zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft für Projekte entstanden sind und wie diese funktionieren?
Wir unterstützen schon seit längerem experimentelle Ansätze, auch in der Projektentwicklung. Und über viele Jahre war es der einfachste Ansatz, zivilgesellschaftliche Akteur*innen und Initiativen zum selber Planen und Bauen zu ermächtigen, indem wir Eigentum an die jeweiligen Akteur*innen übertragen haben. Ein klassisches Beispiel dafür waren Baugruppen, wie auf den Baufeldern rings um den Blumengroßmarkt, wo ein ganzes Stadtquartier erfolgreich – und in vielen Aspekten auch innovativ und mit einem bedeutenden Anteil gemeinwohlorientiert – entwickelt werden konnte. Schwieriger ist es bei Bestandsgebäuden, die den landeseigenen Gesellschaften gehören, weil dort nach dem Geschäftsauftrag der städtischen Wohnungsbaugesellschaften, aber auch der BIM (Berliner Immobilienmanagement GmbH), bisher nur übliche Mietverträge praktiziert werden. Diese Mietverträge geben den Nutzenden nicht die Möglichkeit, gegenüber Banken oder anderen alternativen Geldgeber*innen eine langfristige Betriebssicherheit zu belegen, was dazu führt, dass weder Zuschüsse noch Darlehen erfolgreich eingeworben werden können.
Beim Haus der Statistik betreiben wir jetzt offensiv den Ansatz, ein neues Betreiber*innen- und auch Rechtsmodell zu entwickeln. Die Idee von ZKB (ZUsammenKUNFT Berlin), der Betreiber*innen-Initiative, die auch die Konzeptvorschläge vorgelegt hat, ist das Schaffen von Teilabbaurechten für bestimmte Gebäudeteile. So müssen die Liegenschaften in ein Abbaurechtsmodell überführt werden, auf dessen Grundlage die Teilabbaurechtsnehmer dann, wie sonst Eigentümer*innen, agieren können. Wir haben dazu jetzt einen Konzeptvorschlag, den wir auch intensiv mit der Senatsverwaltung für Finanzen diskutieren, weil wir darauf angewiesen sind, dass ein solches Modell nicht nur von uns, sondern auch von der Finanzverwaltung mitgetragen wird, damit wir dies erfolgreich ins Parlament einbringen können.
Bei der Organisation des Projekts „Haus der Statistik“ spielt die Koop5 eine entscheidende Rolle. Was ist Koop5, wie genau gestaltet sich diese und wie konnte sie überhaupt entstehen?
Die Koop5 ist das Ergebnis einer Initiative landeseigener Gesellschaften zusammen mit Akteur*innen der Zivilgesellschaft und Pioniernutzer*innen, gleich zu Beginn einer Projektentwicklung eine verbindliche Kooperation einzugehen. Ausgangspunkt war die für die Politik plausible Forderung, eine große, leerstehende Immobilie in zentraler Lage – das ehemalige Haus der Statistik – nicht abzureißen und für eine private Projektentwicklung zu veräußern, sondern eine besondere Lösung zu finden, den Bestand zu aktivieren. So sollten Nutzungen wie ein Finanzamt oder der Verwaltungsstandort einer landeseigenen Immobiliengesellschaft, die für den Stadtraum in der Regel nicht zu beleben sind, mit vitalen und abwechslungsreichen Nutzungen zusammengebracht werden.
Dazu schlossen sich im Januar 2018 der Bezirk Mitte, die Senatsverwaltung für Finanzen (die das Gebäude und die Grundstücke vom Bund erworben hatte), die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, die Wohnungsbaugesellschaft Mitte WBM (die am Standort zusätzliche Wohnungen plant) und die zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich unter dem Namen ZUsammenKUNFT Berlin (ZKB) formiert haben, zusammen.
Die Politik hat in Folge der ZKB das Mandat gegeben, stellvertretend für andere Akteur*innen der Zivilgesellschaft mitzuwirken und zu agieren und ihr darüber hinaus den Auftrag erteilt, ein Betreiber*innenmodell bzw. einen Rechtsstatus zu finden, der diese improvisierte und informelle Zusammenarbeit der Koop5 in eine formelle Zusammenarbeit überführt.
Was für Auswirkungen hat der Input seitens der ZKB, also der Zivilgesellschaft, in diesem Prozess über die letzten Jahre seit 2018 auf die Stadtverwaltung gehabt? Hat diese Koalitionen einen nachhaltigen Einfluss auf Entscheidungswege innerhalb der Verwaltung, den man anhand von Beispielen belegen kann?
Wir haben eine ganz andere Art der Zusammenarbeit. Elemente der klassischen Projektkoordinierung, Projektsteuerung und Partizipation, die normalerweise eher isoliert nebeneinander herlaufen, sind hier integriert. Die Akteur*innen bei ZKB bringen alle sehr lange Erfahrung in der kooperativen Projektentwicklung, überwiegend aus Baugruppen, mit und haben überdies sehr gute informelle und kommunikative Verbindungen zu vielen Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Sie haben auch einen großen Vertrauensvorschuss mitgebracht und mit dem Modell der Pioniernutzungen dafür gesorgt, dass von Projektbeginn an zivilgesellschaftliche Akteur*innen vor Ort in den ruinenartigen Bestandbau einziehen konnten, viel ausprobiert wurde und dadurch auch Lernerfolge für Verwaltung und Politik erzielt worden sind. Beispielsweise ziehen wir daraus, welche Nutzungen bzw. Nutzer*innenkonstellationen und welche Art von Aushandlungen von Nutzungsrechten bei einem solchen Projekt gut funktionieren.
Gibt es da Nutzer*innenkonstellationen, die einzig und allein wegen dieses Pioniernutzungsprozesses entstanden sind und die jetzt fest mitgedacht werden in der endgültigen Planung des Gebäudes? Bzw. gibt es tatsächlich, über diesen prozesshaften Weg der Zwischennutzung, ganz andere Nutzer*innenkonstellationen?
Besondere Konstellationen ergeben sich einerseits, weil das Projekt von Anfang an auch auf Austausch mit der Nachbarschaft ausgerichtet war. Die Werkstatt im Haus der Statistik, aber auch der Autoscooter im Freien sind Orte, wo Akteur*innen, aber auch die Nachbarschaft zusammenarbeiten. Auch ein Projekt wie das „Haus der Materialisierung“, das sich um Baustoffrecycling und -upcycling kümmert, hat natürlich ganz unmittelbar davon profitiert, in einem Gebäude untergebracht zu sein, das erstmal entkernt wird. Während der Räumungs- und Teilabrissarbeiten hat sich so die Idee verankert, dass das, was dort beseitigt wird, nicht wertlos ist. Dies ist nur eines der Projekte, die sehr ortsspezifisch sind und extrem gut zu dem Charakter passen, eine Bestandsimmobilie zu entwickeln.
Mit der Koop5 und länger anhaltenden Pioniernutzungen öffnen sich also auch neue Wege für die Stadtverwaltung. Inwieweit sind diese Kooperationswege- und Erfahrungen auf eine Bestandsarchitektur wie den Mäusebunker – der architektionisch sperriger und weitaus komplexer erscheint und außerdem nicht gerade zentral gelegen ist – übertragbar?
Diese Erfahrungen sind meiner Meinung nach sehr gut übertragbar sind, denn beim Haus der Statistik war ein spezielles Paradox zu bewältigen: Es handelt sich um einen zentralen Ort, an dem selbstverständlich eigentlich nur hochpreisige, kommerzielle Nutzungen ihren Platz finden werden. An einem aufgegebenen und verlassenen Ort wie dem Mäusebunker ist es da vielleicht eher umgekehrt. Ich glaube, dass Pioniernutzungen mit einer ähnlichen Selbstverständlichkeit bisher nicht vorstellbare Brauchbarkeiten eines solchen Grundstücks, aber auch von Gebäudeteilen, belegen können und damit, ähnlich wie beim Haus der Statistik, zusammen mit der Nachbarschaft erkunden, was den Standort in der Nahperspektive bereichert und auch für das Alltagsleben der Menschen, die dort wohnen und arbeiten, interessant ist.
Das direkt an den Mäusebunker angrenzende Hygieneinstitut wird in naher Zukunft neu belebt und auch das Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Charité – welches meiner Einschätzung nach schon eine hohe Zentralität für Berlin hat – ist ganz in der Nähe. Es wird von vielen aufgesucht wird, aber überhaupt nicht als ein für die ganze Stadtregion wichtiger Ort wahrgenommen. Dass dieser Standort nochmal deutlich in der Mental Map von Entscheidern, aber auch von Akteur*innen, die sich im Stadtraum bewegen, verankert werden sollte, ist auch ein Thema, das bei den aktuellen Workshops für die Weiterentwicklung des Klinikstandorts wichtig war. Hier war zu erfahren, dass wir es mit einem Standort zu tun haben, der mit dem Teltowkanal eine wunderbare räumliche Anbindung in Richtung Kleinmachnow, Potsdam oder auch die Innenstadt, hat und es zwar keinen U- oder S-Bahnhof gibt, aber dafür ganz naheliegende Verbindungen zu den FU- und anderen Wissenschaftsstandorten in Dahlem und Steglitz bestehen. Insofern kann der vergleichsweise übersichtliche Projektbaustein, das Haus der Statistik, auch diesen Großstandort Benjamin Franklin, aus seiner mentalen Verinselung herausholen, da durch dieses Vorbild eine ganz andere Art von Nutzungsangeboten und eine ganz andere Erfahrung von Experimentierfreudigkeit und Offenheit vermittelt werden kann.
Im bisherigen Prozess für das Modellverfahren Mäusebunker haben wir schon viele Gespräche über dieses erweiterte Wissenschaftsnetzwerk am Campus Benjamin Franklin geführt und wollen diesen Aspekt in das folgende Werkstattverfahren einbetten. Dabei finden wir es sehr wichtig, verschiedene Nutzungspotentiale nicht getrennt zu denken (z.B. Kultur vs. Kommerzielle Nutzung), sondern als Teil des Modellverfahrens das Wissenschaftsnetzwerk mit Kultur- und Kreativwirtschaft zusammenzuführen, um diese Vereinzelung der Bereiche Wissenschaft, Kultur und Finanzen zu überdenken.
Das ist meiner Meinung nach etwas anderes, als beispielsweise die nachbarschaftlichen Nutzungspotentiale, weil es sich um ganz andere „Welten“ handelt, die der Öffentlichkeit nur begrenzt zugänglich sind. Als wie wichtig erachten Sie diesen Prozess?
Wir machen die Erfahrung, dass diejenigen, die in Berlin für kreativ gehalten werden und die sich auch selber so verstehen, Standorte vorrangig in der Innenstadt suchen, wo sie, neben dem, was sie beruflich machen oder worauf sie persönlich fokussiert sind, ganz viele Austauscherfahrungen mit ganz anderen Gruppen und Milieus haben. Und das ist heute vom Image und meiner Meinung nach auch der Lebenswirklichkeit her das große Defizit einer großen Campusuniversität wie der FU, wo es nur Wissenschaft umringt von suburbanem Wohnen gibt. Aber auch, ich habe es bereits angesprochen, von einem großen Klinikum, das keine Schnittstellen zu anderen Nutzungen und Aktivitäten in der Stadt hat. Deswegen sind die Raumpotentiale, wie sie sich jetzt auf eine sehr anspruchsvolle Art beim Mäusebunker anbieten oder potenziell auch bei den Gebäuden, die die staatlichen Museen in Dahlem teilweise aufgeben, besonders interessante Orte, wo man jetzt zusätzliche Erfahrungspotentiale und auch zusätzliche Nutzungspotentiale unterbringen kann, für die man sonst als Wissenschaftler*in oder Bewohner*in dieser Quartiere eher in die Innenstadt fahren würde. Den kreativen Geist von Berlin, aber auch die Projektentwicklungserfahrungen in diesem Feld, von der Innenstadt in die Berliner Peripherie und ebenso in die Peripherie der Metropole zu bringen, ist meiner Einschätzung nach eine der großen Aufgaben, der wir uns jetzt stellen sollten und die auch in Zukunft immer wichtiger werden. Nicht nur, weil die Innenstadt immer teurer wird, sondern weil in der wachsenden Stadt, diese Innenstadtfokussierung einfach nicht mehr weiterführt.
Ich denke auch, dass wir mit diesem Modellverfahren auch einen Weg entwickeln könnten, in dem wir die Zeit der Pandemie noch einmal reflektieren. Dies ist eine Zeit, in der die Welt der Wissenschaft, auf allen möglichen Ebenen, eine andere Form der Transparenz in Zusammenarbeit mit der Kreativwirtschaft, jungen Gründer*innen und der Kulturszene schaffen könnte. Wie sehen Sie das?
Der Wissenschaftsstandort Dahlem im Südwesten von Berlin ist ja um 1900 mit einem sehr elitären Ansatz auf den Weg gebracht worden: Auf kaiserliche Initiative sollte hier ein deutsches Oxford entstehen. Nach dem zweiten Weltkrieg, als es eine Notwendigkeit wurde, dort einen großen Wissenschafts- und Hochschulstandort zu entwickeln, kam es in den 60er und 70er Jahren zu einer schrittweisen Öffnung. Die Massenuniversität entstand und es gab eine Bildungsrevolution, wodurch dieser elitäre Charakter verloren ging.
Jetzt, wo sich die Berliner Universitäten und Wissenschaftsinstitutionen, nachvollziehbar, wieder sehr stark auf Exzellenz-Strategien, beispielsweise innerhalb der Berlin University Alliance (BUA), fokussieren, kann und darf diese andere Seite der Offenheit, Anschlussfähigkeit und Experimentierfreudigkeit nicht verloren gehen. Weil dies ein Ausschlagen des Potentials, mit dem sich Berlin auch gegenüber sehr etablierten und renommierten Standorten auszeichnet, bedeuten würde. Und auf diesem Weg Inseln und Brutstätten der Anschlussfähigkeit und Qualität zu finden, ist glaube ich eine interessante Aufgabe, die uns bereits beschäftigt.
Auch beim städtebaulichen Workshopverfahren für den Campus Benjamin Franklin der Charité, das wir begleiten, geht es darum, die Neubaupotentiale für wachsende Wissenschaftsinstitutionen, einfach physisch zu nutzen. Aber wir denken immer mit, wie man diese Standorte noch öffnen könnte. Kann hier in der Vielfalt gewohnt werden, wie das im Zentrum Berlins heute schon üblich ist? Können hier auch andere Nutzungen untergebracht werden, die den Standort beleben und den Anschluss an die Nachbarschaft finden? Nicht nur in Pandemiezeiten ist es ein großes Manko, wenn man an einen monofunktionalen Standort gebunden ist.
Wie sehen Sie das Potential der neuen Koalition im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, wo es jetzt zum ersten Mal eine grüne Bürgermeisterin geben wird? Gibt es Ihrerseits einen Wunsch nach dieser Art von besonderen Koalitionen, die sich entwickelt haben oder auch Kooperationen mit der Zivilgesellschaft?
Das Objekt des Mäusebunkers war bisher aus nachvollziehbaren Gründen, sowohl auf der Senats-, als auch der Bezirksebene eher ein Sorgenthema. Auf der Bezirksebene gab es hier vor allem die große Sorge, dass ein dauerhaft nicht mehr nutzbarer Ort entstehen würde, weil es weder eine klare Entscheidung für eine Nachnutzung gab, noch eine Entscheidung für die scheinbar naheliegende Lösung – Abriss und Neubau. Ich glaube, dass mit einem kooperativen Verfahren beide Szenarien ausgewogen beleuchtet werden können und damit natürlich auch die Risiken und enormen ökonomischen Herausforderungen, ein solches Gebäude zu entwickeln, besser einschätzbar werden. Wenn jetzt die politischen Konstellationen vielfältiger werden, gehe ich davon aus, dass das die Offenheit gegenüber solcher Prozesse steigert und der Aspekt der Sorge bzw. die Ängstlichkeit weniger dominant sind. Ich habe allerdings auch bisher schon den Eindruck gehabt, dass auf der Bezirksseite alle Ansätze, die zu einer Belebung und zu einer über den Standort hinaus wirksamen Nutzung unternommen werden, vom Grundsatz her unterstützt werden.
Man bekommt auch immer mehr den Eindruck, auf Bundes- wie auch auf Landesebene: Abriss ist viel öfter die absolut letzte Instanz. Heutzutage darf man eigentlich Bestand gar nicht mehr abreißen.
Auch ich gehe davon aus, dass auf europäischer, nationaler, aber auch lokaler Ebene die Verpflichtung, sich ernsthaft und konstruktiv mit dem Gebäudestand auseinanderzusetzen, eine zunehmende Bedeutung bekommt. Auch deswegen wird ein kooperativer Verband, auch an diesem Standort, sehr viel Aufmerksamkeit und Unterstützung bekommen wird und von ganz vielen als ein wichtiger Meilenstein verstanden werden, um zu neuen Prozessen und zu neuen Arten der Planung und Bespielung zu kommen.
Darauf möchte ich auch noch zu sprechen kommen: Aus der Sicht von Make_Shift, als Prozessgestalter, ist das große Potential des Mäusebunkers, dass dieser eine sehr starke Symbolwirkung haben könnte. Mit all Ihren Erfahrungen im Bereich der kooperativen Stadtentwicklung: Wie sind die Aussichten auf der Stadtverwaltungsebene bezüglich der Sonderprojekte Ihrer Abteilung? Entwickelt sich aus diesen Erfahrungen der kooperativen Prozesse ein Umdenken auf der Verwaltungsebene?
Ich bin optimistisch, dass es mehr Projekte und vielleicht auch so eine Art Mainstreaming von Prozessen, geben kann und muss. Und das nicht nur, weil die wenigen Projekte, die im Moment in Berlin laufen, im Verhältnis zur Größe der Stadt und der Vielzahl der denkbaren Standorte sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Zum einen führt die ökonomische Entwicklung am Immobilienmarkt, zum andereen die technologische Entwicklung und die Digitalisierung von ganz vielen Geschäftsfeldern dazu, dass sehr viele Objekte, auch in sehr zentralen Lagen, aus ihrer gewohnten Nutzung herausfallen. Der Einzelhandel ist da ein gutes Beispiel. Und wenn es weder möglich, noch immobilienwirtschaftlich sinnvoll ist, Gebäude ausschließlich an Standardnutzer*innen zu vergeben, die relativ hohe Preise abrufen können, sind experimentelle oder auch wandelbare Nutzungen sowie neue Kooperations- und Finanzierungsmodelle gefragt. Insofern glaube ich, dass dies sowohl ein Ansatz für sehr zentrale Standorte wie das Haus der Statistik, wo es im Umfeld durchaus Krisenerscheinungen im Einzelhandel gibt, und mehr noch für Sonderimmobilien wie den Mäusebunker, die einfach nicht in eine Standard-Wohn-, Büro-, Freizeit- oder Tourismusnutzung überführt werden können, sein kann.
Trotzdem möchte ich nochmal nachhaken. Was bedeutet diese Weiterentwicklung für Berlin und seine Stadtentwicklung? Wird es so weitergehen, dass man wirklich in der Verwaltung auf dieser Ebene Veränderungen spürt, die sehr stark in der Verantwortung Ihrer Abteilung II liegen?
Wie sich das organisatorisch abbilden wird, ist eine noch zu klärende Frage. Es gibt aber mittlerweile Ansätze im Kulturbereich: Da hat die Senatsverwaltung für Kultur und Europa mit der BIM ausgehandelt, dass es eine eigene Einheit für die Bereitstellung und Vermietung von Räumen für kulturbezogene Nutzungen geben wird. Dies ist noch ein vergleichsweise enges Einsatzfeld, aber ein sehr ermunterndes Zeichen. So etwas fehlt uns noch an ganz vielen Bestandsstandorten, wo auch in Zukunft die einseitige Nutzung von Sport, Bildung oder Kultur, die jeweils ein eigenes Gebäude oder Grundstück haben. Dafür gibt es noch keine Organisationseinheit, aber wir haben eine Reihe von Projekten, die das vom städtebaulichen Ansatz her nahelegen. So ist gerade ein Wettbewerb für das Zentrum von Hohenschönhausen entschieden worden, bei dem eine Typologie ausgewählt wurde, die einen ausgedehnten, mehrgeschossigen Sockel hat, auf dem dann Punkthäuser stehen. Das ist eine Typologie, die wir aus den 60er und 70er Jahren kennen und die auch damals schon als Multifunktionseinheit gedacht worden ist - allerdings eher im Bildungssektor. Jetzt haben wir die Chance, das viel weiter zu denken und viel mehr Akteure einzubinden, als nur Verwaltungen.
Das heißt also, es gibt tatsächlich einen Lerneffekt aus den letzten Jahren der Auseinandersetzung mit der vielfältigen Stadtgesellschaft und anderen Denkweisen zur Multifunktionalität von Bestand.
Ja in der Tat. Alles andere muss nun die Praxis zeigen.
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„Ich würde mich freuen, wenn wir in Berlin zu einer Mentalität eines ‚Ja, wenn‘ kommen und nicht länger bei einer des ‚Nein, weil‘ verharren.“
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Technische Universität Berlin – Institut für Architektur Bauökonomie/Immobilienwirtschaft
Nachnutzungskonzepte „Mäusebunker“
Der Diskurs folgt vier Themen